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#BNWPurpose: "Ohne Circular Economy kann es keine Postwachstumsökonomie geben"

In der Serie zum Purpose- und gemeinwohlorientierten Wirtschaften stellt der Bundesverband Nachhaltige Wirtschaft Unternehmen vor, die sich gegen ein rein gewinnmaximierendes Modell entschieden haben. Die Blogserie „Purpose Economy“ soll praktische Denkansätze zu den Themen Gemeinwohlökonomie, Postwachstum & Suffizienz liefern.

Purpose Projekte BNWPurpose Kreislaufwirtschaft

Das Interview wurde mit Daniel Büchle, Geschäftsführer AfB gemeinnützige GmbH, geführt (Homepage AfB; Webshop AfB).

Bitte beschreiben Sie kurz die AfB. Was macht das Unternehmen aus?

Daniel Büchle: AfB bietet eine kreislauffähige Lösung für Business-IT und schont Klima und Umwelt durch Aufarbeitung und Remarketing von Firmen-Hardware. AfB kauft nicht mehr benötigte IT- und Mobilgeräte von Unternehmen und öffentlichen Einrichtungen an, löscht die enthaltenen Daten in einem zertifizierten und revisionssicheren Prozess und verkauft die generalüberholten Geräte mit einem Jahr Garantie in den Ladengeschäften und im AfB-Onlineshop v.a. an Privatpersonen, Schulen, KMUs und gemeinnützige Organisationen. Einzigartig an AfB ist, dass dieser Einsatz für Klimaschutz im IT-Bereich von Menschen mit Behinderung erzielt wird. AfB ist Deutschlands erstes und mittlerweile Europas größtes gemeinnütziges IT-Unternehmen, in dem sich 600 Mitarbeitende an 20 Standorten täglich für Reuse von IT-Hardware einsetzen. 45% der Mitarbeitenden sind schwerbehindert. Neben dem ökologischen Mehrwert durch Circular Economy und Abfallvermeidung leistet AfB daher auch einen wichtigen sozialen Beitrag: Inklusion auf dem ersten Arbeitsmarkt.

Welche Gründe waren ausschlaggebend, dass sich die AfB als soziales/gemeinnütziges Unternehmen aufgestellt hat und nicht ausschließlich profitorientiert arbeitet?

DB: Der AfB-Gründer Paul Cvilak hat vor AfB eine Firma für IT-Leasing und Asset Management geleitet. Damals kam bei einem Kunden der Bedarf auf, IT-Bestände zurückzunehmen, zu löschen und an seine Mitarbeitenden zu verkaufen. Der Zufall wollte es, dass seine Firma gegenüber einer Werkstatt für psychisch behinderte Menschen lag. Zum Mittagessen traf man sich an der Currywurstbude am Straßenrand. Dort entwickelten sie gemeinsam die Idee, ob die Werkstatt die geforderten Aufgaben übernehmen kann, probierten es aus und hatten Erfolg. Die Mitarbeitenden mit Behinderung fanden diese neue Herausforderung richtig gut, waren motiviert und machten saubere Arbeit. Ja, und da dauerte es nicht lange, bis die Sozialbehörde kam und den Vorschlag machte, ein Inklusionsunternehmen für Datenlöschung und IT-Remarketing zu gründen. Im Jahr 2004 startete Cvilak mit einer kleinen Firma, 4 Personen, 2 davon mit Behinderung. Heute ist AfB das größte Inklusionsunternehmen in Europa. Cvilak entschied sich bewusst für die gemeinnützige Organisationsform, da hier das Geld nicht ausgeschüttet werden darf sondern reinvestiert wird.  Das Geld kommt direkt dem Menschen zugute. Ziel der AfB-Gruppe ist die Schaffung von 500 Arbeitsplätzen für schwerbehinderte Menschen. Jegliches Firmenwachstum führt zu dieser Zielverwirklichung und damit gleichzeitig zu Inklusion auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt.

Was sind die größten Herausforderungen in Ihrem Unternehmen?

DB: Vor allem drei Herausforderungen bewegen uns aktuell:

  1. Das Wachstum über fünf Länder hinweg ist eine große und natürlich tolle Herausforderung für uns.
  2. Eine weitere Herausforderung ist der Spagat zwischen Preisgestaltung und Nachhaltigkeit. Viele Unternehmen fangen an, ihre Beschaffung neben den Kosten auch an sozialen und ökologischen Kriterien zu messen. Als Sozialunternehmen können wir nicht immer den besten Preis bieten, aber wir bieten einen signifikanten und messbaren sozialen und ökologischen Mehrwert.
  3. Drittens beschäftigt uns die technische Entwicklung, also wie bereits durch das Produktdesign mehr Zirkularität ermöglicht wird. Eine verbesserte Reparierbarkeit wird beispielsweise dann erzielt, wenn Hersteller ihre Produkte verschrauben und nicht verkleben. Hier engagieren wir uns in Forschungsprojekten u.a. mit dem Fraunhofer Institut und Shift GmbH.

Sie arbeiten nicht nur als soziales Unternehmen, sondern sind auch ökologisch nachhaltig. Gibt es da Zielkonflikte? Wenn ja, wie begegnen Sie diesen?

DB: AfB steht für „Arbeit für Menschen mit Behinderung“, Inklusion ist von Anfang an Teil unserer DNA. Der Blick auf die Umweltwirkung kam durch die Zirkularität und E-Waste-Reduzierung dazu und macht heute social & green IT aus. Die Ziele sind untrennbar miteinander verknüpft: inklusive Jobs Umweltschutz und ökonomischer Erfolg sind in unserem Geschäftsmodell vereint.

Sie bereiten IT-Geräte auf und verkaufen diese weiter, womit Sie auch zur Suffizienz (weniger Konsum) beitragen. Nehmen die Kund:innen und Lieferanten dies an oder braucht/e es viel Überzeugungsarbeit?

DB: Wir haben weit mehr als 1 Mio. Kund:innen vom Kauf von refurbished IT überzeugen können. Täglich erhalten wir positive Bewertungen auf Google oder über Trusted Shops. Dort haben 19.000 Kund:innen ihren Einkauf bei AfB bewertet und der Durchschnitt ist 4,88 aus 5 Sternen! Viele Onlinekunden suchen gezielt nach gebrauchter Hardware. Sicher trägt auch der günstige Preis dazu bei, Kunden vom Kauf zu überzeugen. Bei uns kostet ein generalüberholtes Notebook inkl. neuem Betriebssystem und mindestens 12 Monaten Garantie im Schnitt 40% weniger als ein Neugerät. In unserer aktuellen Kundenumfrage bestätigen dennoch mehr als die Hälfte unserer Kund:innen dass auch Nachhaltigkeitskriterien wie Umweltfreundlichkeit, Klimaschutz und Inklusion ihre Kaufentscheidung beeinflusst haben.

Welche Vorteile haben Sie aus Ihrer Sicht gegenüber “traditionell“ wirtschaftenden Unternehmen? / Welche Chancen sehen sie in einer postwachstumsorientierten Wirtschaftsweise?

DB: Wir haben im Vergleich zu anderen traditionellen Unternehmen nicht den klassischen Zielkonflikt, dass ökonomische Ziele sozialen und ökologischen Zielen widersprechen. Zudem verstehen wir uns als Teil der Wertschöpfungskette unserer Partner. Wir helfen unseren Partnerunternehmen, ihre IT messbar nachhaltiger zu gestalten und hier auch Aufklärungsarbeit zu leisten, indem wir beispielsweise ihre sozialökologische Wirkung anhand von sieben KPIs zu Umwelt- und Klimaschutz und Sozialkriterien ausweisen. Wir bieten Verkaufsaktionen für ihre Mitarbeitenden an und führen Stakeholder-Dialoge durch. Mit unserem Geschäftsmodell wollen wir zeigen, dass ein Social Business funktioniert und auch „groß“ kann. Wir wollen neue Partner für das AfB-Geschäftsmodell begeistern. Sicher muss zuerst die Qualität stimmen. Datenschutz steht an oberster Stelle. Aber zukunftsorientiert kann die Wirtschaft nur sein, wenn wir aufhören linear in make-use-waste zu denken. Aktuell ist unsere Gesellschaft noch weit weg von einer Postwachstumsökonomie – aber ohne eine Circular Economy kann es keine Postwachstumsökonomie geben. Und hier bietet AfB eine gute Lösung für IT-Hardware an.

Welche konkreten Ziele möchten Sie noch erreichen?

DB: Unser Hauptziel ist es, europaweit 500 sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze für schwerbehinderte Menschen zu schaffen. Bis 2025 wollen wir darüber hinaus durch IT-Refurbishing und -Reuse folgende Ressourcen einsparen:

  • Die Emission von 200.000 Tonnen CO2
  • Den Verbrauch von 300.000 Tonnen Rohstoffen (Metalle und Mineralien)
  • den Verbrauch von 600.000 Megawattstunden Energie

Das schaffen wir nur, indem wir verlässliche Partnerschaften mit Unternehmen, Banken, Versicherungen und Behörden eingehen, die uns ihre nicht mehr benötigte IT-Hardware anvertrauen und indem wir auch weiterhin unsere Kund:innen vom Kauf guter refurbished Hardware überzeugen können.

 

 

Die AfB hat eine Wirkungsanalyse für das Geschäftsjahr 2021 durchgeführt. In dieser wird aufgezeigt, welche Auswirkungen ihre Geschäftstätigkeit auf Mensch und Umwelt hat.

AFB Wirkungsanalyse

Daniel Büchle arbeitet seit Firmengründung im Jahr 2004 bei AfB social & green IT, Europas größtem gemeinnützigen IT-Unternehmen. Er hat insgesamt fast 20 Jahre Erfahrung im IT-Remarketing und -Recycling und ist Experte für Kreislaufwirtschaft von IT- und Mobilgeräten. Innerhalb der AfB-Geschäftsführung, der er seit 2009 angehört, verantwortet Daniel Büchle die Bereiche Partner-Management, CSR und Produktion und macht sich darüber hinaus für die Themen „Nachhaltige Beschaffung“ sowie „Nachhaltige Digitalisierung“ stark. Ehrenamtlich ist er seit 2021 im Vorstand des Jaro Instituts für Nachhaltigkeit und Digitalisierung und als Mitglied des Beirats von B.A.U.M. e.V. engagiert.

 

Foto: AfB gGmbH.