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„Die 17 Ziele für nachhaltige Entwicklung können Leitstern für Nachhaltigkeit in Unternehmen sein.“

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Wie können kleine und mittelständische Unternehmen die 17 Entwicklungsziele der UN einsetzen? Seit 2018 führt UnternehmensGrün das Projekt SDGs praxisnah umsetzen durch. Das Ziel des Projekts ist die „Sustainable Development Goals“ oder zu Deutsch die Entwicklungsziele für die Nachhaltigkeit auch in Unternehmen greifbar zu machen. Die Wirtschaft braucht Orientierung. Da die SDGs von der Weltgemeinschaft beschlossen wurden – also global anerkannt sind – könnte ihnen künftig eine Schlüsselrolle zukommen. Der Rat für nachhaltige Entwicklung gibt dazu ein klares Statement: „Nachhaltigkeit muss in der Wirtschaft zum globalen Standard werden, anders sind die Pariser Klimaziele und die nachhaltigen Entwicklungsziele der UN nicht zu schaffen.“ Gerade angesichts der komplexen Herausforderung, vor die Unternehmen gestellt werden, die nachhaltig wirtschaften wollen, sind klare Orientierungspunkte notwendig: Nachhaltigkeit ist ein weiter gefasster Begriff als etwa der des Umweltschutzes, so sieht sie auch langfristige Verbesserungen in der Lebensqualität aller Menschen vor, Bildung und Gleichberechtigung für alle, das Ende von Hunger, Armut und Krieg. Vor diesen großen Ansprüchen kann ein kleineres Unternehmen sich schnell in die Knie gezwängt fühlen. Erfahrungsaustausch bringt Unternehmen weiter UnternehmensGrün arbeitet gemeinsam mit seinen Mitgliedsunternehmen und weiteren Interessierten daran, die 17 Ziele für nachhaltige Entwicklung in den Unternehmensalltag zu integrieren. Im Rahmen von Workshops und Veranstaltungen werden einzelne SDGs aufgegriffen und diskutiert. Ein Projektergebnis wird eine Handreichung sein, die die Schnittmengen der SDGs zu bereits etablierten Nachhaltigkeits-Instrumenten (wie DNK, B Corp oder GWÖ) aufzeigt. Yvonne Zwick, stellvertretende Generalsekretärin des Rates für Nachhaltige Entwicklung (RNE) und Leiterin des Büros deutscher Nachhaltigkeitskodex (DNK) sieht die SDGs als wertvolles Instrument zur Zielsetzung: „Während der deutsche Nachhaltigkeitskodex keine normativen Anforderungen stellt, sondern vor allen einer deskriptiven Berichterstattung dient, könnten die SDGs wie ein Polarstern als Orientierungspunkt fungieren." Der RNE wird in einem Stakeholderdialog diskutieren, inwiefern die SDGs in den Nachhaltigkeitskodex integriert werden können: „Im Dialog mit Unternehmen prüfen wir, wie die Unternehmen die SDGs operationalisieren können. Viele Unternehmen legen die 17 Ziele wie eine Folie über ihre Projekte und ihre Berichterstattung, steuern aber noch nicht nach ihnen,“ so Zwick. Die 17 Ziele sind miteinander vernetzt „Wir halten die SDGs für gute Standards, gerade weil sie so umfassend und dennoch konkret sind. Durch ihre Ausgestaltung machen sie Nachhaltigkeit anfassbarer, konkreter“, ist Silke Stremlau (Vorständin Hannoversche Kassen) überzeugt. Besonders positiv bewertet Silke Stremlau, dass die SDGs helfen, die ‚Kunst des Vermeidens‘ durch etwas Positives zu ersetzen: Nachhaltigkeit muss nicht nur bedeuten, bestimmte Handlungen zu unterlassen, sondern kann auch positiv formuliert werden, indem man beispielsweise durch seine Geldanlagen zukunftsweisende Projekte unterstützt. Sollten sich Unternehmen in der Berichterstattung dabei zunächst aus Gründen der Machbarkeit nur auf eine Untermenge der 17 Ziele konzentrieren? Laut Stremlau besteht dann die Gefahr, dass gerade große Unternehmen sich die SDGs auswählen, bei denen sie punkten können („cherry picking“), ohne den Einfluss für mehr Nachhaltigkeit auch in anderen Bereichen zu nutzen, der ihnen eigentlich zur Verfügung stehe. Auch Nachhaltigkeitsexpertin Andrea Klepsch, (Gründerin und Inhaberin modem conclusa) hält ein solches „Subset“ (eine Auswahl aus den 17 Zielen) nur bedingt für sinnvoll: „Je nachdem in welcher Branche ich tätig bin, komme ich natürlich an einigen Zielen gar nicht vorbei, wie zum Beispiel an den Zielen 13 (Klimaschutz) und 15 (Leben an Land), wenn ich in der Lebensmittelproduktion bin. Die Ziele sind aber alle vernetzt und keines ist unwichtig und kann ignoriert werden.“ Klepsch räumt aber ein, dass die 17 Ziele im Ganzen auch überfordernd sein können. Wer sich neu mit dem Thema beschäftige, sei schnell demotiviert ob der schieren Anzahl. Da könnte es dann schon eine gute Sache sein, sich erst einmal auf ein paar der Ziele zu konzentrieren: „Das kann dann als Einstiegshilfe verstanden werden: Auf diese Ziele kann ich mich erstmal konzentrieren und von dort aus dann anfangen, selbst darüber nachzudenken, wie ich alle Ziele in meinem Handeln würdigen kann.“ Denn das wichtigste an den SDGs sei letztlich, dass sie Lust auf Nachhaltigkeit machen und motivierend wirken. Dies sei neben der Vielseitigkeit das Hauptargument für Unternehmen, die 17 Ziele als Standard für Strategie zu übernehmen. SDGs praxisnah umsetzen Da die SDGs als globale Ziele für Staaten verabschiedet wurden, sind die Formulierungen nicht unbedingt an Unternehmensstrategien ausgerichtet. „Es kann dadurch für Unternehmen schwierig sein, einen Praxisbezug herzustellen. Andererseits machen die Ziele Komplexität sichtbar: Bisher hat man sich bei Nachhaltigkeit beispielsweise sehr auf Energieeffizienz und Klimaschutz konzentriert, die SDGs sind aber vielseitiger, weil alle diese Nachhaltigkeitsfragen zusammenhängen,“ sagt Andrea Klepsch. Aus leeren Schlagwörtern konkrete Ziele machen Umweltschutz zum Beispiel ist ein großer und komplexer Aspekt der Nachhaltigkeit und daher greifen die 17 Ziele verschiedene Aspekte auf: Neben Maßnahmen zum Klimaschutz (Ziel 13), werden das Leben unter Wasser (Ziel 14), an Land (Ziel 15), bezahlbare und saubere Energie (Ziel 7), sauberes Wasser für alle (Ziel 6) sowie nachhaltige Städte (Ziel 11) einzeln formuliert und geben so eine viel deutlichere Vorstellung davon, wie Unternehmen das große Ziel Umweltschutz im Einzelnen umsetzen können. Nicht zu vergessen sei auch der Schutz der Biodiversität, der unter Ziel 15 Erwähnung findet: „Der Schwund der Biodiversität kann der menschlichen Existenz auf dem Planeten durchaus das Genick brechen,“ so Klepsch. Sie ist auch nicht der Meinung, dass es zu viele verschiedene Standard zur Umsetzung unternehmerischer Nachhaltigkeit gebe: Unterschiedliche Standards sprächen unterschiedliche Leute an. Letztendlich sei es nicht so wichtig, ob die Standards untereinander vergleichbar seien, oder welchem genau man nun folge, solange Unternehmen tatsächlich nachhaltig wirtschaften. „Wir Deutschen lieben die Normen,“ so Klepsch, aber vielleicht sei es nicht notwendig, die verschiedenen Standards zu normieren, solange jeder von etwas angesprochen werde, seien das nun die 17 Ziele oder Zertifikate. Dabei können die Ansätze bei der Umsetzung der SDGs sehr unterschiedlich sein, wie die Unternehmen Vaude und Hannoversche Kassen zeigen: Bei Vaude handelt es sich um ein produzierendes Unternehmen, mit deutlich über 500 Mitarbeitern und weit verzweigten Lieferketten. Die Hannoverschen Kassen sind dagegen ein Unternehmensverbund mit vergleichsweise wenigen eigenen Mitarbeitern und dem Schwerpunkt nachhaltiger Kapitalanlagen für die betriebliche Altersvorsorge von 11.000 Versicherten. Hannoversche Kassen: Veränderung durch gezielte Investitionen Die Hannoverschen Kassen sind vor allem ein Bürobetrieb, daher werden im Alltag zwar klare Nachhaltigkeitsstandards angesetzt, doch der größte Impact entsteht durch die sehr gezielt getätigten Kapitalanlagen. Auf diese Art unterstützen die Hannoverschen Kassen den Umbau zu einer nachhaltigeren Wirtschaftsweise. In Zusammenarbeit mit der Ratingagentur imug, die sich auf Nachhaltigkeit spezialisiert hat, sollen Investitionen in den nächsten Jahren von den SDGs geleitet werden. Eine Baustelle, an der im Moment gearbeitet wird: wie können die SDGs in die Bewertung von Banken und deren Kredit- und Investitionsgeschäft integriert werden? Innerhalb der nächsten zwei bis fünf Jahre wollen die Hannoverschen Kassen ihre bisher an klassischen Nachhaltigkeitskriterien orientierte Anlagestrategie stärker an den SDGs ausrichten. Das bringe viele neue Herausforderungen mit sich, sagt Klepsch So investieren die Hannoverschen Kassen zum Beispiel in Staatsanleihen. Hier lasse sich gut abwägen: Welche Staaten verfolgen die SDGs in hohem Maße? Es werden weniger Anleihen gekauft, wenn die SDGs weniger beachtet werden. Bei den SDGs, wie bei anderen Standards leider auch, bestehe immer auch die Gefahr des Greenwashings, dass Unternehmen also Nachhaltigkeit zwar als Wert nach außen tragen, aber tatsächlich kaum tiefergehende Maßnahmen ergreifen, sagt Klepsch. Dies sei aber keine spezifische Schwäche der SDGs, sondern ein Problem, dem freiwillige Standards nicht abhelfen können, meint sie weiter. Die Hannoverschen Kassen reagieren auf diesen Fallstrick mit sehr weitgehender Transparenz: So legten sie für das Geschäftsjahr 2017/2018 als erste Pensionskasse in Deutschland einen Transparenz- und Investitionsbericht vor. Vaude: Ganzheitliche Umsetzung der 17 Ziele in der Unternehmenspolitik Als nachhaltig wirtschaftendes Unternehmen setzt sich Vaude in besonderem Maße für die 17 Ziele ein: Jedes einzelne wurde diskutiert und die Möglichkeiten des Unternehmens dazu untersucht. Diskriminierungsbekämpfung erfolgt beispielsweise über das neu implementierte Diversity Management. Vaude trägt außerdem durch faire Löhne in allen Teilen der Produktions- und Lieferketten zur Armutsbekämpfung bei; Angebote zur familienfreundlichen Arbeit leisten einen aktiven Beitrag zur Geschlechtergerechtigkeit. Vaude hat als produzierendes Unternehmen eine ganzheitliche Herangehensweise: Da teilweise aus dem Ausland geliefert wird, achtet das Unternehmen etwa darauf, dass nicht nur am Standort in Tettnang klimaneutral gewirtschaftet wird. Auch die Zulieferer werden sehr sorgfältig ausgewählt. Dazu nutzt Vaude branchenspezifische Standards, die je nach Bedarf für die eigenen Bedürfnisse angepasst werden. Darüber hinaus gibt es eine Bio-Kantine, die auf nachhaltige Landwirtschaft, sowie ein Bewusstsein für gesunde Ernährung bei den Vaude-Mitarbeitern setzt, die Firmenzentrale ist komplett nachhaltig umgebaut worden und die lokale wie globale Infrastruktur wird ausgebaut. Die 17 Ziele bieten für Vaude die Möglichkeit, sich mit verschiedensten Bereichen des Wirtschaftens bewusst auseinanderzusetzen und verschiedene Nachhaltigkeitsaspekte zu berücksichtigen. Das zentrale Ziel für Vaude ist im Nachhaltigkeitsbericht klar benannt: „Nachhaltige Konsum- und Produktionsmuster bilden den Kern unserer nachhaltigen Unternehmensstrategie.“ Allrounder oder Spezialist: Unternehmen können Nachhaltigkeit unterschiedlich umsetzen Ob das eigene Unternehmen nun vor allem in seiner Kernkompetenz, oder in verschiedensten Bereichen ansetzt: Die Beispiele Hannoverschen Kassen und Vaude illustrieren, dass auf verschiedenste Weisen einzelne Ziele im Blick sein können und dabei der Standard „17 Ziele“ nicht zu kurz kommen muss. Auch Andrea Klepsch betont wie wichtig es sei Potentiale im eigenen Unternehmen zu erkennen: „Als PR-Agentur mit Fokus auf Nachhaltigkeit haben wir schon lange das Missionsstatement ‚Make sustainability happen now,‘ und mit unseren Kunden sprechen wir auch immer über die 17 Ziele: Was kann Ihr Unternehmen machen, um die Ziele umzusetzen und diese Mission auch nach außen zu tragen?“ Besonders an den 17 Zielen sei nämlich gerade das siebzehnte, Partnerschaften für die Ziele, aufbauend und stärkend: „Das ist ein in den Zielen eingebauter Mechanismus zur Zielerreichung.“ Laut Yvonne Zwick vom Rat für nachhaltige Entwicklung sind die SDGs gerade im Kontext internationaler Partnerschaften ein nützlicher gemeinsamer Motivator: „Gerade wenn Unternehmerinnen und Unternehmer sich als ‚gute Bürger‘ sehen und das auch in einen globalen Kontext stellen wollen, sind die SDGs urbaner und moderner, als etwa das Bild des ‚guten Kaufmannes‘, dessen Handschlag zur Besiegelung reichte. Dieses Konzept der Hanse ist schließlich in mehr als einer Hinsicht ein Relikt. Die SDGs stellen einen neuen, internationalen Wertekonsens dar, auf den sich die internationale Staatengemeinschaft geeinigt hat.“ Zur Pressemitteilung   Das Projekt „SDGs praxisnah umsetzen“ (Laufzeit 1.3.2018 – 31.12.2019) wird gefördert durch das Umweltbundesamt und das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit. Die Mittelbereitstellung erfolgt auf Beschluss des Deutschen Bundestages. Die Verantwortung für den Inhalt dieser Veröffentlichung liegt bei den Autorinnen und Autoren.