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Dr. Ursula Hudson (Slow Food Deutschland): "Wenn Politik und Lebensmittelindustrie nicht umsteuern, muss die Zivilgesellschaft es tun"

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Im sechsten Teil der insgesamt 12 Blogbeiträge über erfolgreiche und spannende Frauen in der deutschen „New Green Economy“ berichtet Dr. Ursula Hudson, freie Autorin und Wissenschaftlerin, über Wege zu einem alternativen Lebensmittelsystem und die Bewusstseinsbildung für einen gesamtgesellschaftlichen Wandel.  Sie ist Vorsitzende von Slow Food Deutschland e. V. und Mitglied im Vorstand von Slow Food International. Was mich täglich bewegt und umtreibt, ist Wege zu finden, um die Art und Weise, wie wir mit unserem Planeten und seinen Ressourcen umgehen, zukunftsfähiger zu machen und einen Systemwandel anzustoßen. Essen und Ernährung, Lebensmittelproduktion sind dabei Schlüsselaktivitäten, denn Essen müssen wir alle. Ich möchte so viel wie möglich dazu beizutragen, Menschen für umfassend nachhaltige und zukunftsfähige Alternativen im Bereich Landwirtschaft, Fischereiwirtschaft und Lebensmittelproduktion zu sensibilisieren und die Wege zu den Alternativen zu einem Leben mit und aus einem industriellen Lebensmittelsystem aufzuzeigen. Dabei spielt der Genuss, das positive Erleben eine ganz wichtige Rolle. Dazu gehört es aber auch auf die Missstände des industriellen Lebensmittelsystems hinzuweisen. In meiner Rolle als Vorsitzende von Slow Food Deutschland geht es mir dabei vor allem um Bewusstseinsbildung für den dringend notwendigen gesamtgesellschaftlichen Wandel hin zu Wertschätzung und Nachhaltigkeit, so dass nicht nur Verbraucher, sondern auch Betriebe, Lebensmittelhandwerker, Restaurants und ähnliche Unternehmen nachhaltiger handeln und wirtschaften können. Mein Anliegen ist es, sozial und ökologisch verträgliche Praktiken in die Breite zu tragen. Deshalb arbeiten wir schon jetzt mit mehreren Hundert kleinen und mittleren Unternehmen zusammen, die sich der Philosophie von Slow Food in ihrer täglichen Arbeit verbunden fühlen und die den Blick auf unsere gemeinsame Zukunft, statt nur auf gegenwärtigen Profit, gerichtet haben.

Durch Ernährungs- und Bewusstseinsbildung für Zukunftsfähigkeit im Bereich der Lebensmittelproduktion

Bildung und Aufklärung sind die Schlüssel zu gesamtgesellschaftlicher Veränderung, vom Verbraucher über den Erzeuger bis hin zum Unternehmer. Deshalb lege ich einen großen Schwerpunkt darauf öffentlichkeitswirksame Arbeit zu betreiben und bei den ganz Kleinen so wie den ganz Großen anzusetzen und ein ganzheitliches Bewusstsein zu entwickeln für globale Ernährungszusammenhänge und das Zusammenspiel von Wirtschaft und Umwelt. Mit der Slow-Food-Bildungsarbeit, dem Aufzeigen zukunftsfähiger Alternativen im Bereich Produktion, Handel und Konsum, begeistern wir als Verein immer mehr Menschen. Durch unseren Austausch und unsere Zusammenarbeit in Netzwerken wird erfahrbar, dass vor allem im Bereich der Lebensmittelproduktion eine radikale Veränderung hin zu mehr ökologischer, sozialer, politischer, wirtschaftlicher und kultureller Nachhaltigkeit unausweichlich ist. Ich bin immer wieder beeindruckt, wie viel durch Aufklärungsarbeit zu erreichen und zu bewegen ist. Denn oft ist es schlicht fehlendes Wissen über sozial-ökologische Herausforderungen oder ein fehlendes bzw. zu unkritisches Bewusstsein über globale Ernährungszusammenhänge. Dabei fängt es beim individuellen Blick über den eigenen Tellerrand an. Deshalb mache ich mich für ein gesamtgesellschaftliches Umdenken stark und versuche  alle Akteure in diesem Feld mit einzubeziehen. Den Wandel schaffen wir nur gemeinsam. Der Wirtschaftssektor ist dabei natürlich ein ganz entscheidender. Er beeinflusst auf einer viel größeren Skala Umweltfaktoren, soziale Standards etc. als der einzelne Verbraucher. Trotzdem und umso mehr, kommt es auf jeden Einzelnen an. Als sogenannte KoProduzenten entscheiden die Verbraucher, was sie kaufen und damit auch, welche Arten von Produkten nachgefragt und produziert werden. Da liegt großes Potenzial für handwerklich und umfassend nachhaltig hergestellte Produkte. Deshalb sehe ich meine Aufgabe in puncto ethical and eco business development darin, beide Ebenen, die der Verbraucher und die der Unternehmer, miteinzubeziehen und zusammenzuführen.Es freut mich immer wieder, die verschiedenen Akteure entlang der Lebensmittelkette im Sinne einer Graswurzelbewegung zusammenzuführen und zu vernetzen. Die Mitglieder und Verbraucher unseres Netzwerkes lernen so die Unternehmen und gastronomische Betriebe in Ihrer Region kennen und für die Unternehmer eröffnen sich bestenfalls Möglichkeiten der Direktvermarktung. Wichtig ist mir neben der Nachhaltigkeitsbewegung vor allem auch die Stärkung regionaler Strukturen. Regionale Kreisläufe schaffen und unterstützen, dafür mache ich mich stark! Wichtig ist für mich, dass wir nicht vergessen, umstellungswillige und zukunftsweisende Unternehmen in ihrem Betreiben zu unterstützen und Ihnen durch lokale Anknüpfungspunkte Perspektiven, Netzwerke und Absatzmärkte zu eröffnen. Durch unsere enge Zusammenarbeit und Kooperation mit Unternehmen aus dem Bereich der Lebensmittelproduktion und -weiterverarbeitung sowie der Gastronomie, treibt Slow Food das Bewusstsein über sozial-ökologische Alternativen in der Branche voran und holt immer mehr Mitstreiter ins Boot, angefangen bei der Slow Food Chef Alliance Deutschland, den Gastronomen des Slow Food Deutschland Genussführers, den Erzeugern von Passagieren der Arche des Geschmacks, Lebensmittelhandwerker aus dem Terra-Madre-Netzwerk und unsere Slow-Food-Unterstützer. Sie alle haben sich auf den Weg gemacht, um den Nachhaltigkeitsgedanken Schritt für Schritt ganzheitlich umzusetzen.

Wir begleiten Erzeuger und Betriebe auf Ihrem Weg der Qualitätssicherung

Indem wir bei Veranstaltungen wie der „Slow Food Messe – dem Markt des guten Geschmacks“ in Stuttgart jährlich hunderte von Erzeugern miteinbeziehen und deren Produkte unserer Qualitätsprüfung unterziehen, spornen wir immer mehr Erzeuger an, sich hinsichtlich der Produktqualität kontinuierlich zu verbessern und dabei auch sozial-ökologische Kriterien zu berücksichtigen. Wir stellen Leuchtturmprojekte vor, arbeiten Hand in Hand mit ihnen und durchlaufen einen gemeinsamen, fortwährenden Prozess. Dadurch entfaltet sich bei Erzeugern, Gastronomen und Lebensmittelhandwerkern ein immer größeres Bewusstsein über die Notwendigkeit und die Chancen zukunftsfähiger Praktiken für Mensch, Umwelt und auch für den eigenen Betrieb. Unser Ziel ist es dabei auch zu zeigen, warum sich Nachhaltigkeitsstrategien und die Slow-Food-Philosopie „gut, sauber und fair“ z.B. durch regionale Vermarktungsstrukturen und das eigene Netzwerk nicht nur für Mensch, Tier und Umwelt sondern auch wirtschaftlich rechnen. Meine Vision ist, dass möglichst viele Unternehmer verstehen, dass es möglich ist, wirtschaftlich und gleichzeitig nachhaltig zu arbeiten. Und meine Hoffnung liegt darin, dass irgendwann, wenn die Dringlichkeit eines nachhaltigen Ressourcen- und Ökosystemmanagements in der Mitte der Gesellschaft angekommen ist, auch die großen Megakonzerne dazu gezwungen werden auf Nachhaltigkeitsstrategien zu setzen. Denn: Wenn Politik und Lebensmittelindustrie nicht umsteuern, muss die Zivilgesellschaft es tun. Deshalb begeistere ich Erzeuger gut, sauber und fair zu werden und sich um die eigenen und ökologisch-sozialen Vorteile bewusst zu werden. Bei meiner Arbeit wird immer wieder deutlich, dass wir in einem stetigen Dialog mit unserem Gegenüber stehen müssen, denn Kriterienkataloge und der Leitbildprozess ist fortwährend, nicht stagnierend, sondern stets auf Optimierung hinsichtlich klimatischer, technischer und ökologischer Anpassung.   Lesen Sie hier den vollständigen Blogbeitrag von Dr. Ursula Hudson. Die Blogserie „12 REMARKABLE WOMEN IN GREEN ECONOMY“ entstand in Zusammenarbeit mit der Women Speaker Foundation und Ecopreneur.eu.